Dieses Video wurde am 3. Juni 2025 von phoenix auf YouTube veröffentlicht. Zum Original-Video auf YouTube.
Der Cum-Ex-Steuerskandal hat Deutschland Milliarden gekostet. Während die Aufarbeitung schleppend verläuft, sorgen erste Urteile für Diskussionen. Wie ist der Stand der Dinge und welche Hürden muss die Justiz noch nehmen?
Die sogenannten Cum-Ex-Geschäfte haben dem deutschen Staat einen Schaden in zweistelliger Milliardenhöhe verursacht. Dieses komplexe Steuermodell nutzte eine Gesetzeslücke oder, wie der Bundesgerichtshof später urteilte, eine nie bestehende Zulässigkeit, um sich nicht gezahlte Kapitalertragsteuern erstatten zu lassen. Aktien wurden rund um den Dividendenstichtag rasch verschoben, um den Eindruck mehrfacher Eigentümer zu erwecken. Die Hauptphase dieser Geschäfte lag zwischen 2006 und 2011, doch die rechtliche Aufarbeitung dauert bis heute an und ist längst nicht abgeschlossen.
Ein prominenter Fall ist der des Rechtsanwalts Hanno Berger (im Text Kisteck genannt), der als einer der „Erfinder“ der Geschäfte gilt. Obwohl ihm ein Schaden von fast einer halben Milliarde Euro zugerechnet wird, erhielt er in einem Verfahren eine Bewährungsstrafe. Dies ist schwer nachvollziehbar, insbesondere angesichts der gewaltigen Schadenssumme. Seine Kooperation mit der Staatsanwaltschaft seit 2016 und seine Aussagen in anderen Prozessen wurden mildernd berücksichtigt. Doch das Urteil löste öffentliche und fachliche Diskussionen aus.
Es ist schwer nachzuvollziehen, dass bei einem solch enormen Schaden eine Bewährungsstrafe verhängt wird. Die Relation zwischen Tat und Strafe erscheint verzerrt, trotz kooperativer Aufklärung.
Ein Teil des Geldes konnte bereits zurückgeholt werden, teilweise dank der Aussagen von Hanno Berger, die zur Rückforderung von 660 Millionen Euro führten. Finanzämter konnten Banken, die an den Geschäften beteiligt waren, zur Kasse bitten. Neben einzelnen prominenten Urteilen, wie der Verurteilung eines Kollegen von Berger zu acht Jahren Haft oder Haftstrafen für Mitarbeiter der Warburg Bank, laufen noch zahlreiche Verfahren. Besonders bemerkenswert: Gegen 1700 Beschuldigte wird noch immer ermittelt.
Die schiere Masse und Komplexität der Fälle stellen die Justiz vor immense Herausforderungen. Kritiker bemängeln die unzureichende Ausstattung der Staatsanwaltschaften bei der Verfolgung von Wirtschaftsstraftaten dieser Größenordnung. Die zurückgetretene Kölner Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker forderte eine grundsätzlich andere Aufstellung der Justiz, um mit der mächtigen Finanzindustrie und ihren Verteidigern auf Augenhöhe zu kommen. Die langwierige Aufarbeitung und die begrenzten personellen Ressourcen sind erhebliche Hindernisse.
Auch der Gesetzgeber hat reagiert. Zwar urteilte der Bundesgerichtshof, dass Cum-Ex nie zulässig war und kein „Schlupfloch“ bestand, doch die Praxis war durch die damalige Rechtslage begünstigt. Eine Gesetzesänderung im Jahr 2012 sollte solche Geschäfte verhindern. Dennoch gibt es ähnliche Praktiken, die weiterhin genutzt werden. Es besteht nach wie vor Handlungsbedarf von Seiten des Gesetzgebers, um zukünftige Steuerausfälle zu verhindern und die Rechtssicherheit zu erhöhen.