Narva: Estlands Angst vor Russland wächst – Eskalation?

Dieses Video wurde am 20. Juli 2025 von ntv Nachrichten auf YouTube veröffentlicht. Zum Original-Video auf YouTube.

In der Grenzstadt Narva wächst die Angst vor einer russischen Aggression. Estland rüstet sich für den Ernstfall, während Provokationen an der Grenze zunehmen. Die Situation ist angespannt.

Die Stadt Narva, Estlands nordöstlichster Punkt, steht im Fokus geopolitischer Spannungen. Getrennt durch den Fluss von der russischen Stadt Iwangorod, nur 100 km von St. Petersburg entfernt, wächst die Sorge vor einer russischen Aggression. Militärstrategen befürchten einen Angriff über die Brücke. Narva, mit seinen rund 50.000 überwiegend russischsprachigen Einwohnern, ist ein potenzielles Ziel russischer Propaganda. Provokationen, besonders am 9. Mai, dem russischen Tag der Befreiung, sind keine Seltenheit. Riesige Videowände zeigen Paraden und die Besetzung der Ukraine, um die Bevölkerung zu beeinflussen und Putin als Beschützer darzustellen.

Bürgermeisterin Katri Raik, die in Deutschland studiert hat, betont die Notwendigkeit, wachsam zu sein. Die russische Propaganda sei sehr wirksam, und es sei entscheidend, dass die Bevölkerung, die zu 98 % russischsprachig ist, die Einflüsse russischer Fernsehsender versteht. Trotzdem will niemand nach Russland auswandern. Die Menschen bevorzugen ein Leben in Estland und der Europäischen Union. Das wird auch am Grenzübergang deutlich, wo viele Ausländer Verwandte in St. Petersburg besuchen.

Die junge Dasja, die sowohl einen russischen als auch einen estnischen Pass besitzt, beschreibt sich als hin- und hergerissen. Russisch ist ihre Muttersprache und sie fühlt sich russisch, aber sie lebt in Estland und hat sich an die Europäische Union gewöhnt. Für sie ist es ein 50/50-Verhältnis zwischen europäisch und russisch. Sie möchte die Vorteile der EU nicht aufgeben, wird aber von der russischen Propaganda beeinflusst, was zu Spannungen und Misstrauen führt.

Bis Mai letzten Jahres markierten rote Bojen den Grenzverlauf im Fluss Narva, doch diese wurden angeblich von russischen Soldaten gestohlen. Nun ist die Grenze kaum noch erkennbar. Auf der russischen Seite patrouillieren russische Soldaten, während auch die estnische Grenzpolizei regelmäßig unterwegs ist. Estland, mit nur 1,3 Millionen Einwohnern, ist klein im Vergleich zu Russland. Dennoch sind sie bereit, sich zu verteidigen, was sie in der paramilitärischen Organisation Kaitseliit trainieren.

Im ganzen Land zählt die Verteidigungsliga 30.000 Mitglieder, die in jeder Stadt und jedem Dorf aktiv sind. In ihrer Freizeit üben sie die Verteidigung. Im zivilen Leben sind sie Arbeiter, Lehrer und Studenten. Regelmäßiges Training soll die Wehrhaftigkeit stärken. Bürgermeisterin Raik setzt vor allem auf den Schutz der Europäer und der NATO. Sie betont, dass ein Krieg nie nach Plan verläuft und die gemeinsame europäische Sicherheit von Russland abhängt.

„Es muss unterstrichen werden: Wenn ein Krieg losgeht, dann ist es unser gemeinsamer Krieg in Europa. Bei aller Diplomatie hängt es vor allem an der anderen Seite, an Russland, denn dort sitzt der Aggressor“.